Die Nutzung von Technologie ist zu einem integralen Bestandteil unseres Lebens geworden, bis zu dem Punkt, an dem wir uns schliesslich als Wesen wiederfinden, die täglich mit technologischen Geräten verstrickt sind. Dabei achten wir besonders auf ihre Funktion, ihre Benutzerfreundlichkeit und ihren Innovationsgrad, lassen aber oft die Frage aus, wie sich unsere individuelle Beziehung zur Technologie entwickelt. Was wäre, wenn wir unsere Alltagserfahrungen mit Technologie weniger vom Standpunkt der Effizienz und Funktionalität betrachteten? Diese Arbeit zielt darauf ab, das Narrativ über die Nutzung alltäglicher elektronischer Geräte in Frage zu stellen, indem sie die wachsende Intimität ausserhalb des typischen Zwecks der Technologie ergründet. Sei es die Hitze oder der Geräuschpegel – diese Fiktion wirft ein Licht auf die poetische Seite unserer Beziehung zur Technologie und spekuliert anhand von fünf Geräten darüber, wie diese kleinen Nebeneffekte zu wertvollen Notwendigkeiten werden könnten.
Nadine Cocina untersucht in ihrer Forschungsarbeit «Rare Necessities» ein technologisch und gesellschaftlich brandaktuelles Phänomen: den Umgang mit unseren technologischen Gerätschaften jenseits ihrer direkten Funktionalität. In der Gestaltung von technologischen Artefakten steht oftmals die direkte Funktionalität und Benutzung durch abstrahierte Benutzer:innen im Vordergrund und Nebeneffekte werden eher vernachlässigt. Dabei sind die vermeintlichen Nebeneffekte häufig die wichtigeren Funktionen. In diesem Sinne greift Nadine ein überaus wichtiges Phänomen im Design auf, das von Anthony Dunne und Fiona Raby als «Parafunktionalität» bezeichnet wurde – mit anderen Worten: die «echten» (scheinbar oft irrationalen) Bedürfnisse von Menschen bei der Benutzung von technologischen Artefakten. Nadine wendet dabei systematisch, explorativ und spekulativ Methoden der Produktgestaltung, der Literatur und des Films an und lässt visuell eine Welt entstehen, in der diese Nebeneffekte eindrücklich und fast subversiv zur Darstellung gebracht werden.
Die gestalterische Arbeit ist untermauert von einer fundierten Analyse der menschlichen Beziehung zu Technologie und im Besonderen zu alltäglichen technischen Objekten. Die Arbeit ist in einem integrativen Prozess entstanden, der die theoretische und analytische Arbeit paradigmatisch mit der gestalterischen Arbeit verbindet: die gestalterische Arbeit ist ein direkter Ausdruck der theoretischen Überlegungen und im gewissen Sinne eine materielle und visuelle Schlussfolgerung dieser. Die Wahl des Mediums Film sowie der ästhetische Rückgriff auf die Zeit des Technoutopismus der 1960er Jahre bilden dabei den perfekten Rahmen, in dem diese Fragen gestellt und verhandelt werden können und erlaubt so einem breiten Publikum einen Zugang zu diesen Themen.
Link:
interactiondesign.zhdk.ch/diplom-2021/projekte/rare-necessities
«Als Interaction-Designerin werde ich mich auch künftig mit der sich ständig wandelnden Technologiewelt befassen und dabei insbesondere mit der Entfaltung unserer individuellen Beziehung zu ihr.» – Nadine Cocina