Das Internet hat die Tür zu unseren privatesten Bereichen geöffnet, Virtualität ist in unsere Körper eingedrungen und hat Realität und Fiktion verschmelzen lassen. Die ersten Cam-Girls der 90er-Jahre waren wichtige frühe Beispiele dafür, wie durch die Integration menschlicher Bilder im Internet ein Cyborg-Subjekt geschaffen werden konnte, wodurch in Folge die Diskussion über das Verhältnis von Technologie und Geschlecht, Sex und dem performativen Körper in Gang kam. Durch die Verschmelzung von Kunst, Technologie und partizipativem Design kommentiert das Projekt «Syntia_cam» die sich entwickelnde Beziehung von Sexarbeiter:innen zu den digitalen Medien und deren Einfluss auf ihr tägliches Leben. Ziel des Projekts ist es, eine neue visuelle Erfahrung zu schaffen, die traditionelle Vorstellungen von Darstellung und Wahrnehmung in Frage stellt und zur Entstigmatisierung von Sexarbeit beiträgt.
«Ludovicas Projekt «Syntia_CAM» rückt Menschen in den Vordergrund, die als Sexarbeiter:innen oft stigmatisiert, stereotypisiert und abgewertet werden. Das Projekt verleiht ihnen Handlungsmacht und lässt sie die Kontrolle über Aspekte ihrer Darstellung im Internet gewinnen. Sexarbeit und das Internet blicken auf eine schon sehr lange Beziehung zurück, jedoch ist über ihre bahnbrechende Geschichte wenig bekannt. Sexarbeiter:innen sind nach wie vor kaum an den Tools, Plattformen, Transaktionsmodalitäten und Schnittstellen beteiligt, die täglich von ihnen genutzt werden. Durch iterative Workshops und Co-Design-Methoden entstand mit «Syntia_CAM» eine Umgebung, in der Sexarbeiter:innen die Gelegenheit erhielten, den UX-Design-Prozess entscheidend zu bestimmen und dabei darüber zu reflektieren, welche digitalen Identitäten sie sich selbst wünschten.» – Auszug Plädoyer Fachrichtung Interaction Design
«Was «Syntia_cam» so innovativ macht, ist sicherlich die Verwendung von 3D-Avataren und Motion-Capture-Technologie, mittels derer ein kritischer Diskurs zu digitaler Sexarbeit entwickelt und erweitert werden kann. Durch partizipative Recherche und Performance entfaltete sich ein Raum, in dem die Teilnehmenden ihre eigenen Erfahrungen und kreative Vorstellungskraft einbringen und so zum finalen Artefakt beitragen konnten.» – Ludovica Galleani d’Agliano
«Ich möchte auch in Zukunft gerne an der Schnittstelle von neuen Technologien, Feminismus und Popkultur forschen. Es fasziniert mich, wie sich die Wahrnehmung unserer Identität durch Technologie verändert und damit verbunden die Annahmen und die Macht zu hinterfragen, die in digitale Strukturen eingebettet sind. Ich möchte durch meine Design- und Kunstpraxis auch weiter unbequeme Inhalte zum Gesprächsthema machen.» – Ludovica Galleani d’Agliano