Wie beeinflusst Gewalt die Ästhetik und die Lebenswelt der Bewohner*innen von Caracas?
In Caracas, einer der gefährlichsten Städte der Welt, ist Gewalt Teil des Alltags der Bewohner*innen geworden. Die vorliegende Arbeit ist Teil der langfristigen visuell-ethnografischen Recherche des Autors. Sie soll aufzeigen, wie Gewalt die Ästhetik und den Lebensstil der Caraqueños beeinflusst. Durch die Anwendung von designethnografischen Methoden wird untersucht, wie sich semiotische Elemente im Zusammenhang mit Gewalt in das alltägliche Leben einfügen und wie sich die Einhaltung dieser Verhaltensweisen auf die Ein- bzw. Ausgrenzung in der Gesellschaft auswirken. Diese Untersuchung soll eine neue Lesart von Gewalt vermitteln und die Gegenwärtigkeit der Gewalt in der Gesellschaft verdeutlichen. Es wird aufzeigt, wie die Caraqueños einen Umgang mit den subtilen und impliziten Codes schaffen, die durch Gewalt beeinflusst und verändert werden.
«PLOMO» entwickelt einen alternativen Zugang dazu, wie die subtilen und impliziten gesellschaftlichen, kulturellen und visuellen Codes, die mit Gewalt verbunden und durch sie beeinflusst sind, erzeugt, angepasst und verhandelt werden. Die Arbeit fördert das Verständnis zur symbolischen Anziehungskraft der Gewalt in diesen Zusammenhängen.
Ronald Pizzoferrato eröffnet mit diesem Projekt eine Diskussion zum Thema Identität und Gewalt. Die sensible Gestaltung bewegt sich zwischen Poesie, Traurigkeit und Entsetzen und wirft nicht nur Fragen zur Gewalt in Caracas auf, sondern auch zu den unterschiedlichen Ausprägungen von Gewalt in unserer Gesellschaft.
Webseiten:
trendsandidentity.zhdk.ch/diplom-2020
malandrophotos.com
Im Frühjahr 2019 erhielt Ronald Pizzoferrato eine «Sur dossier»-Zulassung zum Studium in der Fachrichtung Trends & Identity. Bei diesem Aufnahmeverfahren werden Bewerber*innen berücksichtigt, welche die formalen Kriterien zur Zulassung für einen Studiengang zwar nicht erfüllen, stattdessen aber gleichwertige Qualifikationen, eine aussergewöhnliche Begabung und herausragende künstlerische Leistungen vorweisen können. Dies war der Fall bei Ronald Pizzoferrato, der seine Heimatstadt Caracas in Venezuela aus gesellschaftspolitischen Gründen verliess.
In seiner Masterarbeit im Bereich Trends & Identity führt er sein fotografisches Projekt mit designethnografischen Methoden fort, indem er untersucht, wie sich Gewalt mit dem Alltagsleben und dem Lebensstil der Menschen vermischt. Mit Recherchen auf Instagram und vor Ort, Workshops in Caracas und eigenem fotografischen Material zeigt er eindrucksvoll, wie Gewalt durch Produkte, Gesten, Posen und Objekte ästhetisiert wird und Identitätskonstrukte der Zivilgesellschaft sich aus der Konfrontation mit Gewalt herausbilden: Kinder nehmen Gewalt suggerierende Posen ein, herzförmig arrangierte Waffen werden zum Symbol der Liebe, Marken wie Nike und die Präsenz von Motorrädern vermitteln ein Bild von Gewalt und Gefahr. Aus diesem tiefschürfenden ethnografischen Ansatz entstand die Publikation «PLOMO».